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Rezension

selk.de 30.09.2022

Wer schon einmal die Frage zu beantworten hatte, was die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK) ausmacht und was sie von anderen Kirchen unterscheidet, wird nicht um Kirchengeschichte herumkommen. Und auch wenn heute über theologische Themen, über Strukturen und Ordnungen der Kirche gestritten wird, ist ein »Rückblick« auf die Entstehungsgeschichte in jedem Fall unerlässlich.
Im Juni 2022 feierte die SELK ihr 50jähriges Bestehen. Ja, es ist tatsächlich erst 50 Jahre her, dass sich drei bis dahin eigenständige lutherische Kirchen zur SELK zusammenschlossen. Und bis das 1972 möglich wurde, war es ein langer, beschwerlicher Weg.
Werner Klän, emeritierter Professor der Lutherischen Theologischen Hochschule Oberursel und profunder Kenner der Geschichte lutherischer Kirchen, zeichnet in seinem neuen Buch die Entstehungsgeschichte der SELK von 1945 bis 1972 nach. Und so wie er die Zusammenhänge darstellt, versteht man auch, warum es noch nach dem Zweiten Weltkrieg Jahrzehnte dauerte, bis der Zusammenschluss endlich vollzogen werden konnte. Was wurde debattiert und gerungen damals! Es ging um theologische Fragen, ja klar. Aber oft ging es auch um kirchenpolitische Rahmenbedingungen, die eine Einigung besonders schwer machten.
Nach einer kurzen Skizzierung des Profils der SELK als konkordienlutherische Kirche gibt Werner Klän zunächst einen Überblick über die ersten 125 Jahre des Bestehens selbstständiger evangelisch-lutherischer Kirchen, wie sie sich im 19. Jahrhundert ausbildeten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg führte die geteilte Not zu Annäherungen der bisher getrennten lutherischen Kirchen in Deutschland. Besonders die Evangelisch-Lutherische Kirche Altpreußens (ELKA) und die Evangelisch-Lutherische Freikirche ELFK) hatten einen Großteil ihrer Kirchen und Gemeindeglieder verloren und waren gezwungen, sich neu zu organisieren. In der Folge verstärkten sich die Bemühungen um einen Zusammenschluss, und so führten die begonnenen Lehrverhandlungen zwischen der ELKA und der ELFK 1948 zur Verabschiedung der »Einigungssätze«, die im Einigungsprozess bis 1972 immer wieder eine herausragende Rolle spielen sollten.
Dieser Prozess der Annäherung wurde gleichzeitig beschleunigt durch die Entwicklungen im Raum der Landeskirchen hin zur Gründung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die von allen lutherischen Freikirchen einhellig als eine unierte Kirche identifiziert wurde.
Beschleunigt wurde der Prozess außerdem durch die Gründung der Lutherischen Theologischen Hochschule in Oberursel 1948 sowie der Zusammenarbeit der Kirchen auf dem Gebiet der Mission.
Nun hätte es doch zügig(er) voran gehen können mit dem Zusammenschluss aller selbstständigen lutherischen Kirchen, möchte man aus heutiger Sicht meinen – wenigstens im Westen Deutschlands. Doch es gab immer wieder Stolpersteine auf dem Weg zu einer Einigung. Welche Hindernisse das waren und wie in den folgenden Jahrzehnten trotzdem immer wieder und unermüdlich um eine Einigung gerungen wurde, schildert Werner Klän verständlich, spannend, nachvollziehbar.
Das lange Mühen, das »Dranbleiben«, nicht zuletzt die komplexe und aufwändige Erarbeitung einer Grundordnung für die neu entstehende SELK, nötigt einem großen Respekt und auch Demut ab. Beharrlich und mit viel Geduld führten die Bemühungen 1972 schließlich zum Zusammenschluss zur SELK.
Dass die Geschichte selbstständiger lutherischer Kirchen bis zur Gründung der SELK in diesem neuen Standardwerk nicht nur wie in einem Naschlagewerk zusammengestellt wurde, sondern durch das erklärende Darstellen der Zusammenhänge in ihrem Verlauf nachgezeichnet wird, ist das große Verdienst des Autors und macht das Buch auch für interessierte Laien verständlich.
Es ist nicht »trockene« Kirchengeschichte, die hier wiedergegeben wird, das Buch macht neu klar, warum es die SELK als eigenständige konfessionell-lutherische Kirche nach wie vor (oder vielleicht mehr denn je) braucht. Dass sie gleichzeitig ihre »ökumenische Verantwortung« darin ernst nimmt und ihre Positionen profiliert in die zwischenkirchlichen Gremien und Arbeitsgemeinschaften eintragen muss, betont Klän mehrfach. Er schließt sein Buch ab mit einem kurzen Kapitel zur »konfessionskundlichen Ortsbestimmung« – mit Erläuterungen zum Namen der SELK als Programm und mit Hinweisen zu Herausforderungen, denen sie heute gegenübersteht.
Sich – zum Beispiel durch dieses Buch – der eigenen Wurzeln zu vergegenwärtigen, ist vielleicht nicht die schlechteste Voraussetzung, diesen Herausforderungen etwas zuversichtlicher entgegenzusehen.
Doris Michel-Schmidt

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Umschlagbild: Die Gründungsgeschichte der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche 1945–1972

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Die Gründungsgeschichte der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche 1945–1972

Auf dem Weg zu verbindlicher Gemeinschaft konkordienlutherischer Kirchen in Deutschland
Klän, Werner/Kampmann, Jürgen

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