Rezension
Lutherische Theologie und Kirche, 44. Jahrgang (2020) Heft 1
Das Genre des zu besprechenden Buches ist gar nicht so leicht zu bestimmen. Der Untertitel verspricht den Lesern »Impulse für das Kirchenjahr«. Und im Vorwort wird erkennbar, dass die Vf. es offensichtlich für den Andachtsgebrauch geschrieben hat. Ist es also ein Andachtsbuch? Ja, sicherlich auch, aber nicht nur.
Dieses für diesen Preis außerordentlich hochwertig ausgestattete Buch (Hardcover, Lesebändchen, Farbdruckseiten) bietet dem Leser nämlich über die jeweiligen geistlichen Impulse hinaus erhellende Hintergrundinformationen zu den Sonn- und Festtagen des Kirchenjahres und damit letztlich zum Kirchenjahr als Ganzem. Schon dass das Buch mit dem Martinstag beginnt, wird manchem die Augen öffnen. Warum ist der Startpunkt nicht der 1. Advent? – Weil die Vorbereitungszeit auf das Weihnachtsfest hin (wie die Vorbereitungszeit auf das Osterfest) traditionell vierzig Tage umfasste und deswegen am 11. November begann. Solche und ähnliche Entdeckungen lassen sich mit diesem Buch machen – und das nicht nur zu den allgemein bekannten Festtagen, sondern auch zu eher unbekannten Gedenktagen wie dem der Elisabeth von Thüringen oder des Märtyrers Laurentius. Jeder besondere Festtag bzw. der Beginn jeder neuen Kirchenjahreszeit wird mit einer farbigen Doppelseite eingeleitet, die jeweils einerseits einen Text aus der geistlichen Tradition und andererseits selbstformulierte Gebete von Propst Gert Kelter enthalten. Diese Gebete stellen mit ihrer klaren, gut nachvollziehbaren Sprache in jedem Fall auch ein Highlight des Buches dar.
Genauso überzeugen aber sprachlich auch die Texte der Vf. Anschaulich, gelegentlich im besten Sinne launig und dann auch wieder provokant versteht es die Vf., Grundgedanken des Kirchenjahres (und damit der Heiligen Schrift) ins Gespräch mit Lebenssituationen und Lebenszusammenhängen postmoderner Menschen zu bringen. Dabei wird sie als Person erkennbar - und es geschieht beim Lesen so genau das, was die Vf. im Vorwort als ihre Absicht benannt hat, dass das Buch wie »ein [] Besuch [ist], bei dem wir nebeneinandersitzen und hören, was einzelne Worte der Bibel uns sagen.« (13)
So hat das Buch nichts (im negativen Sinn) Dozierendes, sondern vor allem viel Glaubenslebenspraktisches an sich und eignet sich zum Beispiel dafür, sich am Samstagabend auf den kommenden Sonntag einzustimmen. Einige Gebete für den Morgen und den Abend, für Gruppen und für Einzelne bieten am Ende des Bandes noch bereichernde Add-ons.
Gerade für Menschen unterschiedlichen Alters, die der Prägung des Kirchenjahrs auf die Spur kommen möchten, bietet dieses Buch eine Vielzahl wertvoller Anregungen. Lutherische Andachtsbücher sind auf dem Buchmarkt rar – hier ist ein empfehlenswertes. Ja, ein Andachtsbuch, aber eben doch auch viel mehr als das.
Christoph Barnbrock