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Rezension

Archiv für Liturgiewissenschaft, Jahrgang 60, 2019

Der Sammelband ist Ergebnis eines Forschungskolloquiums zum Thema »Beichte und Sündenvergebung im ökumenischen Diskurs«, das im Dezember 2012 von der kath.-theologischen Fakultät der Univ. Wien veranstaltet wurde. Die Einzelbeiträge, von denen einige benannt werden sollen, sind in drei große Abschnitte zusammengefasst. Unter einem ersten Abschnitt Erfahrungsorte der Befreiung (19−95) finden sich Beiträge, die erste Erfahrungshorizonte aufreißen.
Zunächst gibt Ralf K. WÜSTENBERG, Die Beichtgelegenheit am Berliner Dom. Ein Beispiel aus der evangelischen Praxis (21−29), Auskunft über das dortige liturgische Formular der Beichte, die im Altarraum stattfindet und mit dem Entzünden einer Kerze als Tauferinne¬rung schließt. Hermann GLETTLER, Die katholische Beichte — Verlustanzeige oder Neuentdeckung? Ein persönlicher Praxisbericht über ein Sakrament, das Zukunft bat (30−40), hält fest, dass die Mehrzahl der kath. Gläubigen mit diesem Sakrament nichts Wesentliches verbindet, während in neuen geistlichen Gemeinschaften eine neue Bedeutung der Beichte zu verzeichnen ist. Klemens SCHAUPP, Beichte — Ort der Vergebung, Ort der Heilung? Oder: Zwischen Sündenvergebung und Lebensbegleitung Überlegungen zur therapeutischen Dimen-sion der Beichte (41−60), versucht, das Verhältnis von Beichte und Psychotherapie durch den unterschiedlichen Umgang mit Schuld zu bestimmen, um so die Beichte als geistliche Begleitung zu profilieren, wo Sündenbekenntnis und Zuspruch der Vergebung zusammengehören. Joachim ZEHNER, Versöhnung im Strafrecht (61−68), beschreibt das juristische Institut des Täter-Opfer-Ausgleichs, zu dem aber kein Opfer gezwungen werden darf: »Der Staat muss die Möglichkeit schaffen, dass ein Konflikt zurückdelegiert wird auf die persönliche Ebene und dort aus dem Konflikt entstandene Schuld vergeben werden kann« (68). Ralf K. WÜSTENBERG, Politische Umbrüche. Wahrheitskommissionen als Beichtstuhl? (69-81), wehrt sich gegen eine vereinfachende Parallelisierung von kath. Beichte und den südafrikan. Wahrheitskommissionen. Theologische Wegmarken (97−170) möchten das Angerissene theologisch vertiefen. Peter ZIMMERLING, Zur Geschichte der Beichte (99−114), zeigt in einem historischen Überblick den Verlust der Beichte in evang. wie kath. Kirche auf, sieht Ansätze für Neuaufbrüche in einzelnen Gruppen, ohne dass daraus eine Renaissance der Beichte resultiert. Gunter PRÜLLER-JAGENTEUFEL, Schuld und Versöhnung Zur Bedeutung interpersonaler Prozesse (133−150), arbeitet wichtige personale und interpersonale Dimensionen der Vergebung heraus: Nur vom Bekenntnis her ist die Annahme der Ver-gebungszusage möglich, und den Gemeinden kommt die Aufgabe der Ermutigung und Unterstützung solcher Prozesse zu. Er konstatiert in Absolution als Richterspruch? Beobach¬tungen zur tridentinisch-katholischen Bußtheologie (159−170), dass eine Neuentdeckung der Beichte dort gelingt, »wo nicht das verrechtlichte tridentinische Denken vorherrscht, sondern der personal-pastorale Zugang, die [sic] sich dem Zweiten Vatikanum verdankt« (169). Ein dritter Abschnitt steht unter der Überschrift Ökumenische Ermutigungen (171−234). Von evang. Seite zeigt Peter ZIMMERLING, Die Bedeutung der Beichte im Rahmen der Praktischen Theologie seit dem Ende des Ersten Weltkriegs (173−185), jüngere Ansätze einer Wiedergewinnung auf, die nicht nur theologisch geboten, sondern anthropolo¬gisch notwendig sei: »Wirkliche Sünde und Schuld gehören in die Beichte!« (181). Johann Pocx, Versöhnungsweg, Laienbeichte und Pilgerbuße. Pastoraltheologische Analyse neuer Entwicklungen des »ungeliebten Sakraments« in der katholischen Kirche (186−204), beschreibt Ansätze auf kath. Seite etwa bei Wallfahrten und Weltjugendtagen. Aus dem Vergleich des Gotteslob von 1975 und 2013 schließt er, dass Bußgottesdienste keine zentrale Rolle mehr spielen, die Einzelbeichte im Beichtstuhl aber unter den heutigen Bedingungen nur ein spezifisches Angebot sein kann. Notwendig sei eine genauere empirische Studie zum Themenkomplex. Christine SCHLIESSER, Beichte als »Angebot göttlicher Hilfe«. Ökumenische Ermutigungen auf den Spuren Dietrich Bonhoeffers (205−215), hält mit Bonhoeffer als problematische Ausformungen fest, wenn der Beichtehörende nicht selbst beichtet und wenn die Beichte zum frommen Werk wird. Diese muss ganz auf die Gnade ausgerichtet sein und niemals auf den Beichtenden selbst. Gunter PRÜLLER-JAGENTEUFEL — Christine SCHLIESSER — Ralf K. WÜSTENBERG, Neu anfangen können. Ökumenische Anstiftungen zur Beichte (216−234), resümieren die Ergebnisse des Kolloquiums. Zwischen Schuld und Schuldgefühlen besteht ein wesentlicher Unterschied, das unverzichtbare Bekenntnis symbolisiert den dialogischen Charakter ethischer Verantwortung, und vom Vergebungswort her erkennt sich der Sünder als gerechtfertigter Sünder. Für den Beichtehörenden besteht die Herausforderung darin, zusammen mit dem Beichtenden zur theologischen Tiefendimension der Sünde vorzudringen. — Der Band trägt wichtige Überlegungen zusammen und stellt sich auch jüngeren Diskussionen. So sehr alle Beteiligten von der Notwendigkeit der Beichte überzeugt zu sein scheinen, stimmt man darin überein, dass eine neue Aktivierung nur in bestimmten geistlichen Gruppen zu verzeichnen ist. Vermutlich sind kurzfristige Reaktivierungshoffnungen nicht mit der momentanen kirchlichen und soziokulturellen Realität in Übereinstimmung zu bringen.
Friedrich Lurz

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Ein ökumenisches Kompendium für die Praxis
Prüller-Jagenteufel, Gunter/Schliesser, Christine/Wüstenberg, Ralf K./Bedford-Strohm, Heinrich/Glettler, Hermann/Herbst, Michael/Pock, Johann/Schaupp, Klemens/Schönborn, Christoph/Zehner, Joachim/Zimmerling, Peter

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