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Rezension

Pastoraltheologie 96. Jg. / März 2007

»Die Beiträge dieses Bandes entstammen Referaten, die 2004 am Theologischen Seminar der Evangelisch-methodistischen Kirche in Reutlingen gehalten worden sind. Fulbert Steffensky reflektiert in seinem Vortrag über "Das Glück, das Unglück und die Gottesliebe" die Warum-Frage als eine ebenso "unerlässliche" wie "müßige", "nicht zu beantwortende" und schließlich "zu überwindende Frage" (35). Die Gottesliebe, die Erfahrung der Gnade und das Tun des Gerechten könnten sie in den Schatten treten lassen. Die Liebe zu Gott gehe mit dem Schmerz über die "Zerstückelung Gottes in arm und reich [...], in krank und gesund, in mächtig und schwach" einher und empöre sich dagegen (39). In der Gnade wiederum erfahren wir uns als "exzentrische Wesen, die ihr Zentrum in dem haben, der uns liebt" (43). Im gerechten Handeln schließlich komme es zur "Erkenntnis Christi in den Augen des hungernden Kindes" (45) und einer Spiritualität, die uns leidenempfindlich mache und dazu führe, unsere Stimme gegen das Unrecht zu erheben.

Walter Dietrich zeichnet alttestamentliche  Erfahrungen von Leid und Tod nach. Nach ihrer Hinnahme als eine "natürlich Grenze des Lebens" (55) stehe der Aufschrei gegen sie in Gestalt der Klage und Anklage. Die "Gretchen" aber richte sich auf Gottes Stellung zu Leiden und Sterben. Dabei erweise sich der Versuch, "Leiden als göttliche Strafe" zu erklären als "hoch achtbar" und zugleich "nicht bedenklich" (67). Daneben trete eine andere Deutung, nach der Gott dem Menschen "ein großes Maß an Freiheit eingeräumt" habe: zu verantwortlichen oder auch selbstsüchtigem Handeln. "Und Gott kann und will den falschen Gebrauch der Freiheit nicht verhindern" (69). In der Geschichte Israels sei aus der doppelten Erfahrung, dass Gott die Todesmacht gewähren ihr aber auch Einhalt gebieten kann, allmählich die Trennung zwischen ihm und Scheol aufgehoben worden. An den späten Rändern des Alten Testaments tauche dann die tastende Hoffnung auf eine Auferstehung auf. Aus diesem Umgang mit Leiden und Sterben im Glauben sei auch heute zu lernen.  Das neutestamentliche Zeugnis, das Gott personenhaft, allmächtig und liebend versteht, verschärft nach Hans-Joachim Eckstein die Theodizee-Frage. Für den Umgang mit ihr wird "die Spannung zwischen Gottes Offenbarsein und seiner Verborgenheit" (104) besonders bedeutsam. Am Markusevangelium zeigt Eckstein, wie sich in dessen erstem Teil "die menschenfreundliche Güte Gottes [...] durch das Wirken [...] Jesu so überwältigend" offenbare, "dass alles Leid und alle Dunkelheit vergessen scheinen" (105). Gegenüber dieser theologica gloriae trete im zweiten Teil des Evangeliums eine theologica crucis hervor, die im "Verzweiflungsschrei des sterbenden Gottessohns" (107) kulminiert. Allerdings bestehe zwischen beiden kein Gegensatz, weil die Kreuzestheologie mit dem endgültigen Triumph der Auferweckung Jesu stehe und falle. In diesem Sinn bleibe auch die Theodizee-Frage so lange offen, "bis Gott alle Verborgenheit und Dunkelheit durch seine endgültige Offenbarung am Jüngsten Tag erhellen wird" (110).

Systematisch-theologische "Antwortversuche und offene Fragen" reflektiert anschließend Dorothea Sattler. Unter den Antwortversuchen greift sie beispielsweise die These auf, der Preis der göttlichen Liebe, die den Menschen Freiheit einräume, bestehe darin, dass diese einander Leiden zufügen. In Bezug auf die Wirksamkeit von Leiderfahrungen unterscheidet Sattler vier Deutungsmodelle: die Ontologisierung, Ästhetisierung, Pädagogisierung und Moralisierung. Die Theodizee-Frage führe darüber hinaus zu einer Läuterung unserer Gottesbilder. So bekenne sich der christliche Glaube einerseits zu einem Gott, "der selbst das Leiden erfahren hat" (120), und andererseits als einen, der mit seinem Zorn ringt. Am Ende benennt Sattler eine Reihe von Offenheiten: den Weg Gottes mit jedem und jeder von uns, der gemeinsam vergewisserte Glaube und schließlich die Geheimnishaftigkeit Gottes.

Neben diesen vier Vorträgen enthält der Band auch zwei Bibelarbeiten: eine weit über das Exegetische hinaus gehende, sehr instruktive Interpretation der "Bindung Jizchaks" (Gen 22) von Annete M. Böckler und eien Auslegung von Christin Eibisch und Olf Tunger zu Psalm 13. Abgesehen von Ulrich Heckels Predigt zu Röm 8, 31-39 ist nicht zuletzt Robert Seitz' poetische Meditation zu erwähnen, die anhand von Röm 8, 18-26 und zahlreichen Gedichten nach einer "Sprache des Seufzens und der Hoffnung" sucht.

Die Beiträge dieses Bandes bringen Akzente zur Geltung, wie die Theodizee-Frage in der Perspektive der jeweiligen theologischen Disziplinen reflektiert werden kann. Gerade in der Unterschiedlichkeit dieser Perspektiven und der mit ihnen verbundenen Impulse sehe ich den Vorzug dieses Sammelbandes.«

Ulf Liedke

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Das Leiden und die Gottesliebe

Beiträge zur Frage der Theodizee
Barthel, Jörg/Eschmann, Holger/Voigt, Christof

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