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Rezension

Jahrbuch für Freikirchenforschung (24) 2015

Der vorliegende Band dokumentiert die Beiträge des sechsten gemeinsamen Symposions römisch-katholischer und freikirchlicher Theologen und Theologinnen in Paderborn. Die Vorträge wurden gehalten von vier römisch-katholischen, einem frei-evangelischen, einem pfingstkirchlichen, einem methodistischen, einem herrnhuterischen und einem baptistischen Theologen. Die enorme Breite und Vielgestaltigkeit der Frömmigskeitsformen und der Frömmigkeitspraxis ist außerordentlich anregend. Manchen Beiträgen spürt man ab, in welchem Maße theologische Vorentscheidungen sowohl die Formen wie die gemeindliche Praxis gelebter Frömmigkeit bestimmen.
Die auch historisch weitgefasste römisch-katholische Übersicht durch Johannes Oeldemann ist sowohl für die Erweiterung des Horizonts hilfreich als auch für die kritische Auseinandersetzung anregend. In der Behandlung freikirchlicher Frömmigkeit nimmt Markus Iff (BFeG) die kongregationalistischen Freikirchen in den Blick. Die Tendenz, in kongregationalistischen Gemeinden eine ausgeprägt individualisierende Frömmigkeit zu pflegen, ist wegen deren theologischen Ansatzes auffallend. Das ist natürlich in pfingstkirchlich geprägten Gemeinden, die Bernhard Olpen vorstellt, anders, weil Geisteswirken immer Gemeinschaft herstellt. Der Methodist Holger Eschmann behandelt das schwierige Thema »Gottesdienst und Liturgie« und engt es — sachlich konsequent — im zweiten Teil auf die methodistische Sicht ein, die aufgrund gemeinsamer (variabler) Ordnungen fassbar ist. Der Herrnhuter Beitrag gewinnt seine Originalität durch den traditionsreichen »Festkalender« mit dem mehrfältig strukturierten Kirchenjahr (Stefan Richter). Es ist beispielhaft, wie die Minderheit der Herrnhuter ihr Profil im übermächtigen ökumenischen Umfeld bewahrt.
Zwei Beiträge widmen sich Fragen der Zukunft auf dem Hintergrund der Moderne und ihrer Vorstellungen von Freiheit, Subjektivität und Selbstbestimmung (Judith Könemann aus einem römisch-katholischen Blickwinkel). Der Baptist Ralf Dziewas lenkt den Blick auf die »Gesellschaftlichen Herausforderungen für Spiritualität und Leben freikirchlicher Gemeinden«. Er verbindet die Ergebnisse von Analysen gesellschaftlicher Entwicklungen mit der Pluralisierung des gemeindlichen Angebots und damit auch der Entwicklung und Gewährung von Frömmigkeitsformen, die fast nicht zu bewältigen sind. Endlich steuert der Paderborner Ökumeniker Wolfgang Thönissen zehn Thesen in einem weitgespannten Themenfeld bei, die alleine eine Besprechung wert wären.
Damit deute ich an, vor welche Probleme eine so erfreuliche Dokumentation von Aufsätzen jemanden stellt, der eine solche Sammlung rezensieren darf; denn was von Thönissens Thesen gesagt wurde, trifft für jeden einzelnen Beitrag zu. Darum muss ich mich mit zwei eher grundsätzlichen Bemerkungen begnügen.
Als das Zweite Vatikanische Konzil die Tore für die ökumenische Begegnung der Gemeinden geöffnet hatte, haben besonders im Zusammenhang mit den Bibelwochen katholische Christen entdeckt, dass es auch in protestantischen Gemeinden eine lebendige Frömmigkeit gibt. Sie fanden bei den Freikirchen manche Ähnlichkeiten: Man ging regelmäßig zum Gottesdienst, man las die Bibel und war gesprächsmündig, man identifizierte sich mit einer Gemeinde, in der man zu Hause war, man lebte die Gemeinschaft in seiner Gemeinde, man sang gerne und kräftig die Lieder des Glaubens und ließ sich schließlich seine Gemeinde etwas kosten. Die Frömmigkeit war eine wunderbare ökumenische Brücke, die zu geradezu geschwisterlicher Verbundenheit mit denen führte, von denen man so lange getrennt bleiben musste, obwohl man sie aus Begegnungen in Schulversammlungen und Fortbildungen kannte! Ich will damit sagen: Frömmigkeit ist für den katholisch-freikirchlichen Dialog mehr als ein akademisches Thema. Und darum, das ist die zweite Erinnerung, war es wichtig, dass es vor mehr als zehn Jahren neben den Gesprächen zwischen Katholiken und VELKD zu einem permanenten ökumenischen Austausch der Katholiken mit den Freikirchen kam. Davon haben beide Seiten profitiert, wie es im zusammenfassenden Bericht von Burkhard Neumann und Jürgen Stolze gelungen zum Ausdruck kommt.
Das Buch bietet viele Schnittstellen zwischen den Konfessionen, die für das gegenseitige Verständnis hilfreich sind. Das macht es nicht nur für Theologen lesenswert.
Karl Heinz Voigt

Rezensierter Titel:

Umschlagbild: Aus dem Glauben leben

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Aus dem Glauben leben

Freikirchliche und römisch-katholische Perspektiven
Neumann, Burkhard/Stolze, Jürgen/Bräker, Jürg/Dziewas, Ralf/Eschmann, Holger/Hardt, Michael/Iff, Markus/Könemann, Judith/Olpen, Bernhard/Richter, Stefan/Thönissen, Wolfgang

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