Rezension
Ethica 21 (2013) Heft 1
Die sehr umfangreiche Dissertation von C. Große erscheint als Band 42 der Reihe »Kontexte. Neue Beiträge zur historischen und systematischen Theologie« in der Edition Ruprecht – und erweckt in der Kombination von äußerem Erscheinungsbild und angesehener Platzierung hohe Erwartungen. Nicht jede Dissertation landet in dieser Weise im Buchregal. Was also ist das Besondere an diesem Werk?
Die ersten 370 Seiten bzw. drei Kapitel des Buches zeigen die typische Struktur einer textorientierten Dissertation. Der Autor stellt aufgrund eines sehr intensiven Quellenstudiums (50 Seiten Literaturverzeichnis!) dar, was die Bibel, das vorchristliche Judentum sowie die christlichen Kirchen von Anbeginn bis zur Gegenwart zu Wirtschaft und Ethik gesagt bzw. geschrieben haben. Besondere Betonung legt der Autor dabei auf einen Aspekt, der aus seiner Sicht für die aktuelle Frage nach der Beziehung zwischen Ethik und Ökonomik zentral ist: Wie gelingt es, die beiden in einer Theorie zu integrieren?
Weshalb ist ihm das so wichtig? »Versuche der Etablierung einer Wirtschaftsethik sahen sich stets der handfesten Kritik von neoliberaler und systemtheoretischer Seite ausgesetzt. Der Tenor dabei war eindeutig: Eine theoretische Verbindung aus Ethik und Ökonomik ist deshalb undenkbar, weil keine praktische Verbindung aus Ethik und Ökonomie existiere« (S. 207). In der aktuellen globalen Finanz- und Wirtschaftskrise sieht der Autor im Gegensatz zu diesen beiden Positionen ebenso sehr praktische Verbindungen wie in vielen Beispielen aus der jüngeren Geschichte, in denen die Missachtung genau dieser Verbindung für multinationale Konzerne sehr teuer geworden ist, weil es z.B. NGO’s gelungen ist, mit dem Hinweis auf unethisches Konzernverhalten Konsumentenboykotts zu organisieren. Stichworte dazu sind die Ölplattform Brent Spar oder Aktionen gegen Kinderarbeit. Aus der Darstellung und Würdigung aktueller Ansätze der Wirtschaftsethik im Buch geht hervor, dass der Autor Peter Ulrichs Konzept einer integrativen Wirtschaftsethik für tragfähiger hält als das wirtschaftsethische Konzept von Karl Homann und seinen Schülern. Auch aus seiner Rezeption amerikanischer Überlegungen zu CR und CSR (Corporate Social Responsibility) wird deutlich, dass aus Sicht des Autors Ethik nicht nur Aushängeschild oder Alibiaktion für ein Unternehmen sein soll, sondern integrierter Bestandteil der Unternehmensstrategie.
Für eilige Leser hat C. Große die ersten 350 Seiten seines Buches im 4. Kapitel auf 20 Seiten zusammengefasst. Das 5. Kapitel »Verantwortliches und nachhaltiges Handeln als Kommunikations- und Managementkonzept« berichtet von einer empirischen Untersuchung, in der ein in seiner Branche weltweit führendes Maschinenbauunternehmen im Mittelpunkt steht. Die Unternehmensleitung hat dem lobenden Bericht zufolge früh erkannt, dass die Po¬sition am Weltmarkt besser oder sogar nur erhalten und ausgebaut werden kann, wenn ein geeignetes CSR-Konzept entwickelt und umgesetzt wird. In der empirischen Untersuchung wurde der Frage nachgegangen, »ob ein Unternehmen durch die Umsetzung eines Kriterien von Verantwortung und Nachhaltigkeit verpflichteten Management- und Kommunikationskonzepts bei seinen Mitarbeitern ein Bewusstsein für die Bedeutung von Unternehmensethik und ihrer praktischen Ausformung im Rahmen von Corporate Social Responsibility schaffen kann« (S. 371). Die gewählte Untersuchungsmethode war eine Kombination aus leitfadengestützten Experteninterviews sowie ein Fragebogen an eine gewichtete Stichprobe aller Mitarbeiter. Der Autor expliziert eine Fülle von Detailergebnissen, die er selbst wie folgt zusammenfasst: »Die Ergebnisse der Studie unterstrichen die wesentliche Bedeutung, die eine enge Verbindung zwischen Management- und Kommunikationskonzept einer CSR für ihren Erfolg hat« (S. 522). Die abschließend zitierte Empfehlung an die Auftrag gebende Firma aufgrund seiner Studie zeigt, wie gut es dem Autor als Unternehmensberater gelingt, seine theoretische-theologische Fundierung der Forderung nach Integration von Wirtschaft und Ethik, seine empirische Untersuchung und seine eigenen unternehmerischen Tätigkeiten zu vereinen: »Auf der Basis der obigen Ergebnisse wurde die Empfehlung an das Unternehmen formuliert, trotz des gegenwärtig bereits relativ umfassenden Konzeptes und des hohen Bewusstseins unter den Mitarbeitern keinesfalls bei dessen konsequenter Umsetzung und Weiterentwicklung nachzulassen« (S. 523). Im Buch wird nicht berichtet, ob und wie das Unternehmen dieser Empfehlung gefolgt ist.
Jürgen Maaß